Gehirnleistung steigern durch Bewegung – wie sich Sport auf das Gehirn auswirkt

In den vergangenen Jahren konnten zahlreiche Studien belegen: Körperliche Bewegung hat starke positive Effekte auf das Gehirn. Die Auswirkungen, die Sport auf unseren gesamten Körper hat, sind derart vielfältig, dass sie bis heute nur zu einem Bruchteil verstanden werden. Sicher ist jedoch, dass durch die erhöhte Herzfrequenz und den Anstieg der Körpertemperatur Botenstoffe freigesetzt werden, welche neue Zellen sowie Nervenbahnen entstehen lassen und krankes Gewebe heilen. Mit jeder neuen Erkenntnis wird klarer, dass regelmäßiger Sport den Körper sowie Geist weitaus stärker beeinflusst als bisher angenommen.
Neue Erkenntnisse aus einer weiterentwickelten Gehirnforschung
In den letzten 20 Jahren hat die Gehirnforschung größere Erkenntnisse erbracht als jemals zuvor in der Menschheitsgeschichte. Dafür verantwortlich sind die in den 1980er Jahren eingeführten bildgebenden Verfahren, wie die Positronen-Emissionstomographie (PET). Mit diesem Verfahren, welches einer Magnetresonanztomographie (MRT) ähnelt, konnten Forscher erstmals selbst kleinste Gehirnabschnitte auf deren Durchblutung und Stoffwechsel untersuchen. Sogar Gedanken können mit diesem Verfahren projiziert werden. Dank dieser Entwicklung können die Auswirkungen verschiedenster Aktivitäten gemessen und dargestellt werden, was die Grundlage vieler Studien darstellt, die sich mit dem Einfluss von körperlicher Bewegung auf das Gehirn beschäftigen.
Die Neuroplastizität des Gehirns
Ein spannender Bereich der Gehirnforschung ist die Neuroplastizität des Gehirns, welche zwar schon im Jahr 1949 von dem Psychologen Donald O. Hebb entdeckt wurde, doch erst durch spätere Forschungen dargestellt werden konnte. Als Neuroplastizität des Gehirns wird die Eigenschaft von Synapsen, Nervenzellen oder auch ganzen Bereichen des Gehirns bezeichnet, sich je nach Verwendung zu verändern. Das Lernen und unsere Erfahrungen verändern unser Gehirn, bauen Verbindungen zwischen Nervenzellen oder schwächen diese ab, bauen Brücken zu vorhandenem Wissen und machen das Lernen überhaupt erst möglich. Einige Studien konnten zeigen, dass Sport die Plastizität des Gehirns vergrößert. Der Körper setzt sogenannte Neurotrophine frei, welche für die Bildung neuer Nervenzellen und die Bildung von Verbindungen zwischen bestehenden Nervenzellen verantwortlich sind. Die Plastizität des Gehirns nimmt zu, da die Anzahl der neugebildeten Nervenzellen und Verbindungen enorm erhöht werden kann und gleichzeitig die Anpassungsfähigkeit bestehender Zellen und Verbindungen verbessert wird. Dem altersbedingten Abbau von Hirnmasse kann so mit einer regelmäßigen körperlichen Aktivität vorgebeugt und das Gehirn sogar ”verjüngt“ werden.
Effektives Gehirntraining durch Steigerung der Neurotransmitter Serotonin, Dopamin und Noradrenalin
In unserem Gehirn kommunizieren Milliarden von Nervenzellen mittels verschiedener Neurotransmitter, welche die Signale von einer Nervenzelle zur nächsten weitergeben und so unsere Gedanken steuern. In zahlreichen Studien konnte festgestellt werden, dass Synthese und Metabolismus der Neurotransmitter Serotonin, Dopamin und Noradrenalin durch körperliche Aktivität gesteigert werden können. Die damit verbundenen Gehirnprozesse werden beeinflusst. Sport hat erwiesenermaßen eine positive Wirkung auf die Gedächtnisleistung, das Lernvermögen und emotionale Prozesse.
Konzentration steigern durch Bewegung
Viele Menschen laufen auf und ab oder bewegen sich auf andere Art, um sich besser konzentrieren zu können. Die sofortige Verbesserung der Konzentration hängt damit zusammen, dass unser Gehirn besser durchblutet und die Aktivität des präfrontalen Cortex vorrübergehend verringert wird, weshalb eine Sporteinheit oftmals als ”Neustart“ des Gehirns wahrgenommen wird. Der präfrontale Cortex ist für höhere kognitive Prozesse unter Einbezug des emotionalen Zustands verantwortlich und ist besonders aktiv, wenn wir planen oder komplexe Aufgaben lösen. Während der körperlichen Bewegung sinkt die Aktivität des präfrontalen Cortex und statt für kognitive und emotionale Prozesse werden die Ressourcen für Bereiche genutzt, die für die Atmung, Muskulatur und Körperwahrnehmung zuständig sind. Man kann sich die Verringerung der Aktivität des präfrontalen Cortex so vorstellen, wie bei einem Computer: Laufen zu viele Prozesse zeitgleich ab, läuft der Computer nach dem Herunterfahren und dem Neustart wieder flüssiger. Außerdem soll die verringerte Aktivität im präfrontalen Cortex ähnlich wirken, wie der bekannte ”Flow-Zustand“, welcher die höchste Form der Konzentration darstellt.
Darüber hinaus sorgt regelmäßiger Sport für einen dauerhaften positiven Einfluss auf den Hormonhaushalt. Der Neurotransmitter Dopamin, welcher unseren körpereigenen Stimmungsaufheller darstellt und für kognitive Prozesse benötigt wird, wird langsamer abgebaut. So entsteht ein erhöhter Dopaminspiegel, der für eine verbesserte Konzentration und Lernfähigkeit sorgt.
Gedächtnistraining: Wirkt sich Sport auf die Merkfähigkeit aus?
Sport wirkt sich kurz- sowie auch langfristig auf die Gedächtnisleistung und die Merkfähigkeit aus. Während dem Sport wird der motorische Cortex, welcher Bewegung und Koordination steuert, aktiviert und gleichzeitig wird der präfrontale Cortex ”heruntergefahren“. Sport holt uns aus unseren Denkprozessen und führt uns in unseren Körper, die Gedanken werden weniger und der Geist somit klarer. Nach einer Bewegungseinheit, und sei es nur ein zügiger Spaziergang von 30 Minuten, kann man sich spürbar besser konzentrieren. Langfristig wirkt sich regelmäßiger Sport auf die Hirnmasse, speziell den Bereich des Hippocampus, aus. Der Hippocampus ist für das Lernen und die Merkfähigkeit verantwortlich. Mit zunehmendem Alter baut diese Hirnmasse ab. Die gute Nachricht ist allerdings, dass regelmäßiger Sport den Gedächtnisabbau nicht nur aufhalten, sondern sogar umkehren kann.
Eine Studie, die dies belegt, wurde an der Universität Pittsburg durchgeführt. Bei der Studie hatten 60 Teilnehmer ein Jahr lang dreimal wöchentlich an einem Ausdauertraining teilgenommen und eine Kontrollgruppe von 60 weiteren Teilnehmern hatte stattdessen einfache Dehnübungen durchgeführt. Das Gehirn der Teilnehmer wurde mittels MRT zu Beginn, nach sechs Monaten und nach einem Jahr untersucht. Das Ergebnis: Während bei den Teilnehmern der Ausdauersport-Gruppe eine zweiprozentige Vergrößerung des Hippocampus belegt werden konnte, kam es bei den Teilnehmern der Kontrollgruppe zu einem Größenverlust von 1,4%, welcher dem normalen altersbedingten Verlust bei sportlich inaktiven Menschen entspricht. Auch verschiedene Studien zur Demenz belegen: Ältere Menschen, die körperlich aktiv sind, erkranken deutlich seltener an Alzheimer.
Auch auf psychischer Ebene wirkungsvoll: Sport gegen Depressionen
Sport wirkt sich in vielerlei Hinsicht stimmungsaufhellend aus. Der Dopaminspiegel steigt, der Körper wird aktiviert, der Geist entspannt, wir erreichen selbstgesteckte Ziele und stärken unser Selbstvertrauen. Viele Studien deuten sogar darauf hin, dass regelmäßiger Sport genauso gut wirkt, wie ein Antidepressivum. Der Wissenschaftler Dr. Henning Budde von der Medical School Hamburg hat in einer Mega-Analyse verschiedener Studien eruiert, wie stark sich eine regelmäßige körperliche Aktivität auf depressive Menschen auswirkt. Bei 81.000 Teilnehmern mit Depressionen konnte im Durchschnitt eine signifikante Verbesserung nachgewiesen werden, welche ähnliche Ergebnisse wie eine medikamentöse oder psychotherapeutische Behandlung lieferte. Auch auf die 61.000 Teilnehmer mit Ängsten hatte die regelmäßige Bewegung einen positiven Effekt, jedoch nicht so stark wie bei den Teilnehmern mit Depressionen.
Natürliches Gehirndoping durch Bewegung?
Durch eine regelmäßige Bewegung können tiefgreifende Effekte auf das Gehirn erreicht werden. Bestehende Hirnverbindungen werden gefestigt, Umbaumechanismen unterstützt und neue Synapsen gebildet. Die positiven Effekte auf Körper und Geist sind enorm und es reichen tatsächlich schon 30 Minuten moderate Bewegung am Tag, um von diesen zu profitieren.